E.S.T. - Esbjörn Svensson Trio: Strange Place For Snow
Strange Place For Snow
CD
CD (Compact Disc)
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Reifeprozesse zeigen sich manchmal viel ruckartiger, als sie stattfinden: Plötzlich ist etwas verändert.
Genau das trifft auf die neue CD des Esbjörn Svensson Trios - kurz E. S.T. - zu. Eine künstlerische Entwicklung, die in den letzten Jahren kontinuierlich fortschritt, hat hier einen Kristallisationspunkt erreicht. "Strange Place For Snow" klingt unverkennbar nach E. S.T., aber die Band scheint damit nicht nur einen Schritt, sondern einen ganzen Sprung weiter gekommen zu sein. Konsequenter haben die drei Schweden, die seit ihrem ACT-Debüt mit "From Gagarin’s Point Of View" vor drei Jahren zu den großen internationalen Jazz-Entdeckungen gehören und vor kurzem auch in den USA für Aufhorchen sorgten, ihren musikalischen Eigen-Sinn bisher nie verfolgt.
Dass dieses Trio nicht den vergangenen Jazz, sondern den möglichen Jazz der Gegenwart und Zukunft spiele, befand unlängst die New York Times ("Not what Jazz was but a vision of what it can be"): ein Urteil, das um so mehr einleuchtet, wenn man die neuen Aufnahmen hört. Noch ein bisschen weiter als zuvor hat sich E. S.T. vom gängigen Jazz-Klaviertrio-Stil entfernt. Ihre Eigenkompositionen haben Esbjörn Svensson (Piano), Dan Berglund (Bass) und Magnus Öström (Schlagzeug) noch stärker verschlankt - oder besser: zugespitzt. Noch griffiger, manchmal auch einfacher, immer aber strenger sind die Themen: sparsame, Aufmerksamkeit bündelnde Klang-Signale aus den Morse-Alphabeten des modernen Jazz, der Popmusik, des skandinavischen Folk und der europäischen E-Musik. Frappierend leise kommen sie im dichten, feinen Spiel des Trios daher: eine Musik, die nicht unbedingt Entladungen braucht, um ihre Kraft spürbar zu machen.
Gerade das Titelstück, "Strange Place For Snow" (Track 3), zeigt das: "Bevor es seine endgültige Form bekam, hörte es sich zu poppig an", erzählt Esbjörn Svensson. Ein Ohrwurm-Motiv aus fünf Tönen wandert raffiniert durch unerwartete Harmonien, schleicht sich an und entzieht sich dann wieder subtil: eine Komposition, die den Hörer sofort anspringt und dann doch ihr Geheimnis behält.
Das gilt ähnlich für alle neun Nummern der CD. Sanft soulig beginnt sie mit "The Message" (Track 1), einer freien Einspielung vom Mai 2001. Track 2, "Serenade For The Renegade" ist eine sublim leise Hommage an Radiohead. In Track 4, "Behind The Yashmak" spielt das Trio seine Fähigkeit aus, über eine lange Distanz (10 Minuten) mit elegischen Linien Spannung aufzubauen und sie immer mehr zu steigern, zu verdichten - in einem Klang-Raum, der dennoch stets weit offen bleibt: ein Stück zum allmählichen Abheben. Track 5, "Bound For The Beauty of The South", hat E. S.T. dem bei Garmisch-Partenkirchen liegenden Schloss Elmau gewidmet, wo es ein eigenes, mittlerweile viel beachtetes Jazz-Festival gibt und das Trio eine Art Refugium gefunden hat: Meditative Basslinien von wunderbar lyrischer Schönheit grundieren ein Klang-Idyll, das dem realen Ort gerecht zu werden versucht.
Von dem großen ungarischen Komponisten Béla Bartók (1881-1945) hat sich Esbjörn Svensson für "Years Of Yearning" (Track 6) inspirieren lassen - mit einem Meisterstück der Reduktion auf wenige Töne in einer wiederkehrenden, zugleich hymnischen und melancholischen Akkordfolge. Track 7, "When God Created The Coffeebreak", schließt mit gewitztem Extrem-Kontrast an das vorhergehende Stück an: Eine rasant durchlaufende Klavier-Basslinie lässt den Bachschen Harmoniekosmos aufflackern, trifft auf skelettierte Jazz-Harmonik und wird zum bohrenden Kontrapunkt einer Musik, die sich jeder "Play Bach"-Nostalgie ironisch verweigert: Bach im Ambient-Zeitalter. Track 8, "Spunky Sprawl", klingt mit verfremdetem Boogie-Bass und einer geistvoll kürzelhaften Melodie fast wie eine Reminiszenz an die genialisch-lakonischen Film -Themen von Henri Mancini; und ganz beiläufig spielt das Trio gerade hier seine Virtuosität aus: Brillanz mit Hintersinn. "Carcrash" (Track 9), das Schluss-Stück dieser CD, klingt ganz anders, als der Titel vermuten lässt - eher die Stille nach dem "Crash" kann man aus den fast statischen Tönen dieser verhangen-schönen, dunklen, aber nur in Maßen düsteren Ballade heraushören, die in kreisende Glockenklang-Monotonie mündet.
Eine wie durchkomponiert erscheinende Abfolge ergeben die neun Stücke dieser CD: Alle wie aus einem Guss und doch jedes verblüffend anders. Mit "Strange Place For Snow" hat E. S.T. die eigene Mitte gefunden - und in ihr überraschend viele Formen und Farben. Der bisher größte Wurf der Band. Eine CD mit ziemlichem Kult-Potenzial - weit über die Gemeinde der Jazztrio-Verehrer hinaus.
K. v. Seckendorff in Rolling Stone 4 / 02: "Früher Jarrett, subtiler Funkgroove, dezente Klangforschung und eigenwilliger Kontrapunkt vereinen sich zum nur auf den ersten Blick unspektakulären Gesamtkunstwerk."
Genau das trifft auf die neue CD des Esbjörn Svensson Trios - kurz E. S.T. - zu. Eine künstlerische Entwicklung, die in den letzten Jahren kontinuierlich fortschritt, hat hier einen Kristallisationspunkt erreicht. "Strange Place For Snow" klingt unverkennbar nach E. S.T., aber die Band scheint damit nicht nur einen Schritt, sondern einen ganzen Sprung weiter gekommen zu sein. Konsequenter haben die drei Schweden, die seit ihrem ACT-Debüt mit "From Gagarin’s Point Of View" vor drei Jahren zu den großen internationalen Jazz-Entdeckungen gehören und vor kurzem auch in den USA für Aufhorchen sorgten, ihren musikalischen Eigen-Sinn bisher nie verfolgt.
Dass dieses Trio nicht den vergangenen Jazz, sondern den möglichen Jazz der Gegenwart und Zukunft spiele, befand unlängst die New York Times ("Not what Jazz was but a vision of what it can be"): ein Urteil, das um so mehr einleuchtet, wenn man die neuen Aufnahmen hört. Noch ein bisschen weiter als zuvor hat sich E. S.T. vom gängigen Jazz-Klaviertrio-Stil entfernt. Ihre Eigenkompositionen haben Esbjörn Svensson (Piano), Dan Berglund (Bass) und Magnus Öström (Schlagzeug) noch stärker verschlankt - oder besser: zugespitzt. Noch griffiger, manchmal auch einfacher, immer aber strenger sind die Themen: sparsame, Aufmerksamkeit bündelnde Klang-Signale aus den Morse-Alphabeten des modernen Jazz, der Popmusik, des skandinavischen Folk und der europäischen E-Musik. Frappierend leise kommen sie im dichten, feinen Spiel des Trios daher: eine Musik, die nicht unbedingt Entladungen braucht, um ihre Kraft spürbar zu machen.
Gerade das Titelstück, "Strange Place For Snow" (Track 3), zeigt das: "Bevor es seine endgültige Form bekam, hörte es sich zu poppig an", erzählt Esbjörn Svensson. Ein Ohrwurm-Motiv aus fünf Tönen wandert raffiniert durch unerwartete Harmonien, schleicht sich an und entzieht sich dann wieder subtil: eine Komposition, die den Hörer sofort anspringt und dann doch ihr Geheimnis behält.
Das gilt ähnlich für alle neun Nummern der CD. Sanft soulig beginnt sie mit "The Message" (Track 1), einer freien Einspielung vom Mai 2001. Track 2, "Serenade For The Renegade" ist eine sublim leise Hommage an Radiohead. In Track 4, "Behind The Yashmak" spielt das Trio seine Fähigkeit aus, über eine lange Distanz (10 Minuten) mit elegischen Linien Spannung aufzubauen und sie immer mehr zu steigern, zu verdichten - in einem Klang-Raum, der dennoch stets weit offen bleibt: ein Stück zum allmählichen Abheben. Track 5, "Bound For The Beauty of The South", hat E. S.T. dem bei Garmisch-Partenkirchen liegenden Schloss Elmau gewidmet, wo es ein eigenes, mittlerweile viel beachtetes Jazz-Festival gibt und das Trio eine Art Refugium gefunden hat: Meditative Basslinien von wunderbar lyrischer Schönheit grundieren ein Klang-Idyll, das dem realen Ort gerecht zu werden versucht.
Von dem großen ungarischen Komponisten Béla Bartók (1881-1945) hat sich Esbjörn Svensson für "Years Of Yearning" (Track 6) inspirieren lassen - mit einem Meisterstück der Reduktion auf wenige Töne in einer wiederkehrenden, zugleich hymnischen und melancholischen Akkordfolge. Track 7, "When God Created The Coffeebreak", schließt mit gewitztem Extrem-Kontrast an das vorhergehende Stück an: Eine rasant durchlaufende Klavier-Basslinie lässt den Bachschen Harmoniekosmos aufflackern, trifft auf skelettierte Jazz-Harmonik und wird zum bohrenden Kontrapunkt einer Musik, die sich jeder "Play Bach"-Nostalgie ironisch verweigert: Bach im Ambient-Zeitalter. Track 8, "Spunky Sprawl", klingt mit verfremdetem Boogie-Bass und einer geistvoll kürzelhaften Melodie fast wie eine Reminiszenz an die genialisch-lakonischen Film -Themen von Henri Mancini; und ganz beiläufig spielt das Trio gerade hier seine Virtuosität aus: Brillanz mit Hintersinn. "Carcrash" (Track 9), das Schluss-Stück dieser CD, klingt ganz anders, als der Titel vermuten lässt - eher die Stille nach dem "Crash" kann man aus den fast statischen Tönen dieser verhangen-schönen, dunklen, aber nur in Maßen düsteren Ballade heraushören, die in kreisende Glockenklang-Monotonie mündet.
Eine wie durchkomponiert erscheinende Abfolge ergeben die neun Stücke dieser CD: Alle wie aus einem Guss und doch jedes verblüffend anders. Mit "Strange Place For Snow" hat E. S.T. die eigene Mitte gefunden - und in ihr überraschend viele Formen und Farben. Der bisher größte Wurf der Band. Eine CD mit ziemlichem Kult-Potenzial - weit über die Gemeinde der Jazztrio-Verehrer hinaus.
Rezensionen
K. v. Seckendorff in Rolling Stone 4 / 02: "Früher Jarrett, subtiler Funkgroove, dezente Klangforschung und eigenwilliger Kontrapunkt vereinen sich zum nur auf den ersten Blick unspektakulären Gesamtkunstwerk."
- Tracklisting
- Mitwirkende
Disk 1 von 1 (CD)
- 1 The message
- 2 Serenade for the renegade
- 3 Strange place for snow
- 4 Behind the yashmak
- 5 Bound for the beauty of the south
- 6 Years of yearning
- 7 When God created the coffeebreak
- 8 Spunky sprawl
- 9 Carcrash
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