Hans Pfitzner: Orchesterwerke Vol.2 auf CD
Orchesterwerke Vol.2
Herkömmliche CD, die mit allen CD-Playern und Computerlaufwerken, aber auch mit den meisten SACD- oder Multiplayern abspielbar ist.
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Symphonie op. 44; Symphonie op. 46; Solhaug-Vorspiele Nr. 1-3
- Künstler:
- Bamberger Symphoniker, Werner Andreas Albert
- Label:
- CPO
- Aufnahmejahr ca.:
- 89/90
- UPC/EAN:
- 0761203908028
- Erscheinungstermin:
- 1.5.1998
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Schauspiel "Das Fest auf Solhaug" von
Henrik lbsen schreibt Hans Pfitzner in
den Jahren 1889 bis 1890 eine Bühnenmusik.
Und wäre es nicht noch hin bis zu
jenem markanten Datum, da 1895 in Paris
der erste Filmstreifen einer verwunderten
Öffentlichkeit vorgeführt wurde,
so könnte man sagen: Hans Pfitzner hat
eine erstaunlich passende Kinematographen-
Musik erfunden. Nun mag der Vergleich
mit der später in Mode geratenen
Kinotheken-Musik hinken; schließlich
steht Pfitzner in guter Tradition, die von
Beethoven über Schubert, Schumann,
Mendelssohn, Wolf, Berlioz bis hin zu
Debussy, Busoni, Honegger und Kurt
Weill reicht. Und im Jahre 1890 - Pfitzner
ist ein junger Mann von 21 Jahren, Student
noch in Frankfurt - ist das Genre der
Bühnenmusik bereits dermaßen etabliert,
dass die spätere Komposition für
den Film nichts eigentlich Neues zu erfinden
brauchte: als psychologische Vertiefung
der sichtbaren Aktion, als deskriptiv-illustratives
Beiwerk zum szenischen Geschehen,
als klingende Versinnlichung
des auf der Bühne vorgeführten Gestus
war die Bühnenmusik im Verlaufe des 19.
Jahrhunderts ein entwickeltes Medium,
das der schauspielerischen bzw. sprachlichen
Mitteilung eine sensorische Qualität
beifügte. Und doch mag der Seitenblick
auf die spätere Musik im Kino hier
nicht fehl am Platze sein, denn Hans
Pfitzners Musik, auch die spätere der
Sinfonien op. 44 und op. 46, zeigt einen
merkwürdigen Hang zur Unselbständigkeit
so, als könne sie der optischen Zutat
nicht entraten. Dieser Hang ist bereits in
der Bühnenmusik zum lbsen-Schauspiel
auffällig. Man nehme Beethovens Musik
zu Collins "Coriolan" zum Vergleich:
dessen Musik versteht sich nicht als platte
Verdopplung von Stimmung und Gebärde,
sondern bewahrt sich ihre Autonomie
dadurch, dass sie im Konfliktmodell
der Sonatenhauptsatzform ein diskursives
Aquivalent ausformt; die dramatische
Gegensätzlichkeit im Schauspiel
findet in der dramatischen Widersprüchlichkeit
einer höchst eigenständigen Musik
ihre gedankliche (nicht illustrative)
Transposition. Anders bei Pfitzner: er
schreibt Stimmungsbilder und bleibt damit
den szenischen Bildern, Stimmungen
und Tableaus gehorsam auf den Hacken.
Er schreibt mit anderen Worten eine Programmmusik,
die ohne Kenntnis des Programms
(der Handlung) brüchig wäre.
Folgerichtig ordnet der Stuttgarter Verlag
Luckardt in seiner Partiturausgabe von
1903 das Titelbild als Hörwegweiser
durch die dreiteilige Suite an: "Zum Abdruck
auf Programm" . Und
damit hat man den Schlüssel in der Hand
für eine Musik, die sich enträtselt als klingender
Katalog einer "romantischen Figurenlehre"
entsprechend der Kinotheken-
Sammlung, welche Erdmann und
Becce 1927 herausgegeben haben: die
Freiheitssehnsucht der im Reich des
Bergkönigs gefangenen Margit formuliert
sich als motivisch auswegloses Tasten,
der Blick auf den Frühling klingt prompt
in punktierter 6 / 8-Gestalt, als typisiertes
"Siciliano", durchbrechende Sehnsucht
artikuliert sich durch Tempobeschleunigung,
Satzverdichtung, Motivhäufung
und -verknüpfung, bis endlich das "Bergkönig"-Thema imposant-strahlend erscheint. Jetzt
versteht man auch, woher das Eingangsmotiv
(das Motiv der Sehnsucht) kommt:
es ist eine Umkehrung eben dieses Themas,
es ist also eine durch die Bergkönig-
Gefangenschaft begründete Gefühlsqualität.
Die gleiche 1: 1 Abbildung
im zweiten Suitensatz: die verschiedenen
Bilder von Festlichkeit und Tanz
übersetzt der junge Pfitzner mit Tanzfiguren
unterschiedlichen Tempos. Und der
Beginn des dritten Teils - dem Teil der Fieberträume,
Phantasmagorien und des
schließlichen Erwachens - zitiert geradezu
folgerichtig noch einmal das "Bergkönig"-Thema in flüchtigen Konturen, verfährt
im übrigen nach der Handlungsvorgabe
"Durch Nacht zum Licht".
Programmmusik, die sich mit dem Inhaltsfahrplan
in der Hand lückenlos erklärt, die
indessen ohne jenen Handlungsfaden einer
inneren Logik entbehrt. Ohne ihn wären
Stimmungsumschwünge, motivische
Korrespondenzen und diverse Tanzgesten
wenig plausibel; und ohne ihn hätte
die "Solhaug"-Suite auch nicht jene formale
Konsistenz, die bei geglückten Programm-
Kompositionen dazu führt, dass
die Werke auch ohne den programmatischen
Bezug ein in sich geschlossenes
Ganzes darstellen - hier darf man ohne
Schamröte getrost auf Smetanas "Moldau"
verweisen. Pfitzners Suite bliebe
hingegen, was sie infolge ihrer strikten
Verknüpfung mit dem Bühnen-Sujet tatsächlich ist: eine Suite, eine Abfolge von
Stimmungs-Stationen und tänzerischen
Gesten. Das rückt sie nun mal mehr in
die Nähe der Filmmusik denn in die Nähe
einer emanzipierten Bühnenmusik; das
bedingt auch ihren merkwürdigen tautologischen
Charakter. Erdmann und Becce
nannten das sehr zutreffend "Expressionsmusik".
Wir überspringen 50 Jahre. 1939 schreibt
Hans Pfitzner die "Kleine Sinfonie" in
vier Sätzen op. 44. Hat sich an seiner
Handschrift etwas verändert? Steht auch
mit der ein Jahr später geschriebenen
Sinfonie für großes Orchester op. 46
(1940) ein neuer Hans Pfitzner vor Augen
und Ohren? Ja und nein. Ja insofern, als
sich das Satzbild der "Kleinen Sinfonie"
weit schlanker und durchsichtiger darstellt
als in der farbendurchdränkten Bühnenmusik.
Der Streicher-Chor klingt nun
homogener, die Bläserstimmen, vor allem
die Holzbläser-Register, werden solistisch
beigemischt und klingen manierlich
abgehoben. Homogenität auch in
der Konzeption von Themen und Gegenthemen:
das Kopfthema des ersten
Satzes ist bestimmt von der rhythmischen
Figur, welche im Seitenthema
ebenfalls wiederkehrt. Haupt- und Nebeneinfall
unterscheiden sich nicht substanziell,
sondern nur farblich: das erste Thema
gehört den Streichern, das zweite den
Bläsern. Was wird daraus? Keine Diskussion.
keine widersprüchliche Auseinandersetzung,
sondern ein einheitlicher
Grundzug des musikalischen Charakters,
was durch die allmähliche Vorbereitung
des nächstfolgenden Themas in
der vorhergehenden Überleitung unterstrichen
wird. Folgt eine Reprise, die
keine ist, sondern nur noch einmal den
alles bestimmenden thematischen
Grundeinfall in Erinnerung bringt.
lm Tonfall und in der auf Annäherung bedachten
thematischen Arbeit, die den
Kontrast. den expressiven Bruch und den
rhetorischen Widerspruch tunlichst vermeidet,
entsteht der Eindruck einer friedlichen
Idylle, eines gemütvoll-gemütlichen
Musizierens; alles ist auf Fluss, auf
harmonisches Wechselspiel eingestellt,
jede Phrase gibt der anderen sozusagen
die freundliche Hand. Dieser Eindruck
bleibt bestehen. lm zweiten Satz, einem
6 / 8-Takt-Scherzo, dominiert ein prägnantes
Trompeten-Signal. dominieren energische,
oft unisono geführte rasche Skalenbewegungen
auf- und abwärts. Ein
sangliches Gegenthema will sich behaupten,
bleibt allerdings ohne Gewicht.
Was vordringt, ist unbekümmerte Mendelssohn-
Leichtigkeit, ähnlich dem
Scherzo für Orchester aus dem Jahre
1988. Und wieder
diese beharrlich-leichtfüßige Rhythmusfigur die an den ersten Satz
erinnert. Der Satz schließt, wie das für
Pfitzner typisch ist, mit einer kurzen Kadenz,
die in den elegischen dritten Satz
mündet. Den friedvollen Ton stiftet ein
dicht gewebter Streicher-Chor, den ein
Thema beherrscht, das entfernt an das
vierte der "Vier letzten Lieder" von Richard
Strauss erinnert. Dieses kunstvoll
gewebte Streicher-Klangbild vervielfacht
sich peu ä peu, distinkte Holzbläserstimmen
nehmen das Thema auf und bilden
es solistisch aus. Und einmal mehr ist es
die mittlerweile typische Punktierungs-
Figur, die auch diesen Satz gemeinschaftlich
an die vorhergehenden anbindet. Und noch einmal mehr benutzt
Pfitzner die Schlußkadenz, um in
den vierten Satz einzubiegen: wiederum
eine ländliche Idylle mit einem bukolischen
6 / 8-Takt-Thema in der Manier
Smetanas. Die Sologeige wagt eine
schüchterne Erinnerung an den 1.Satz,
während die rauschenden Skalen auf
und ab eine Rückbindung an das Scherzo
sind. Die vordergründige Heiterkeit
lässt ab Buchstabe T vollends die Zügel
schießen: da klingt es dann tatsächlich
nach dörfischer Kirmes und schweißtreibendem
Tanzboden. Eine neue Pfitzner'sche
Handschrift also, virtuoser,
schlanker, treffsicherer, auf größtmögliche
thematische Klarheit und größtmögliche
motivische Substanzgemeinschaft
bedacht. Eine alte Pfitzner'sche Handschrift
hingegen, was seine aus der Bühnenmusik
bekannte Erfindungsgabe der
Stimmungs-Stationen angeht. Diese vier
Sätze formen musikalische Bilder, denen
die theatralischen zu fehlen scheinen: die
Eindrücke von Morgenstimmung, Sommernachts-
Spuk. Abendrot und Tanzboden-
Biederlichkeit drängen sich wie von
selbst auf; Pfitzners Musik der "Kleinen
Sinfonie" klingt, als wolle sie etwas außerhalb
ihrer selbst Liegendes illustrieren,
und wo dieses zu Illustrierende nicht
vorhanden ist, übertreibt sie die Illustrationen
an sich. An Modernität gebricht es
seiner Musik in diesem Falle vollkommen,
der - wenn man so sagen darf - "tümelnde
Ton" wäre als Parodie seiner
selbst aufzufassen, würde man nicht
Pfitzner als Komponisten kennen, dem
die selbstironische Distanz absolut fremd
gewesen ist. In dieser Fremdheit liegt das
eigentlich Befremdliche der Musik von
op. 44: sie beschwört einen Ton, den die
Kompositionsgeschichte 1939 längst
überwunden und restlos an die Domäne
der Kinos abgetreten hatte.
1940, ein Jahr später, wird die Partitur der
Sinfonie für großes Orchester op. 46 gedruckt.
Pfitzner versieht sie mit der Widmung:
"An die Freunde". Es handelt sich
um drei Sätze in einem Satz, allerdings
sind die drei Partien derart kräftig voneinander
unterschieden, dass eine integrale
Einsätzigkeit sich nicht herstellt. Schon
der erste Satz steht vom Gedanken einer
gegenseitigen thematischen Durchdringung
ab: nach einem vom Horn exponierten
ersten, sehr pathetisch im Bruckner-
Tonfall klingenden Thema hebt ein zweites Thema
diesen lmponier-Gestus wieder auf; in
gemächlichem Rhythmus, in biederer
Austerzung, in abgezirkelter periodischer
Achttaktigkeit und in pastoraler Instrumentation bringt dieses Thema einen gegenläufigen
lyrischen Ton ins Spiel. Pfitzner
wechselt hier konsequent in ein kammermusikalisch-
durchsichtiges Satzgefüge. Der
exponierte Kontrast von Pathos und Lyrismus
wird allerdings nicht ausgetragen,
sondern nur episodisch fortgesetzt. Dort,
wo man den Beginn einer Durchführung
ahnt, wird die Abfolge von erstem und
zweitem Thema bloß wiederholt; es
bleibt beim Wechsel der Stimmungs-
Szenerie. Charakterwechsel dann im
Adagio, wo sich Pfitzner wieder einmal
als vollendeter Erfinder einer melodischen
Ausdrucksgestalt erweist: vor einer
abgedunkelten Kulisse aus gedämpftem,
sordiniertem Streicherglanz entwickelt
sich eine weit ausholende,
unendliche Melodie. Ein orchestrales
"Lied ohne Worte" sozusagen, jedoch
mit allen Kennzeichen einer prosaischen
Freizügigkeit. Die hervortretenden
Klangfarben (Englischhorn und Horn)
vervollkommnen den Eindruck einer klagend-
elegischen Gesangs-Szene, in der
die Septimen- bzw Sextaufschwünge
und die zahlreichen Sekundvorhalte ausdrucksprägend
sind. Dezent nimmt Pfitzner den harmonischen
Beleuchtungswechsel vor;
ein allmähliches Hinübergleiten a-Moll / ges-Moll verstärkt den Eindruck des
schweifenden Wanderns, dessen Schritt
sich irgendwo verliert. Harter Schnitt mit
Beginn des Finales: ein stürmischer
Jagd-Gestus mit einem fanfarenhaften
Dreiklangsthema, welches die vier Hörner
schmettern. An zwei Stellen unterbricht
Pfitzner den raschen, naiven Bewegungszug:
7 Takte nach L bringt sich
das Englischhorn aus dem zweiten Satz
mit einer chromatisch fallenden Melodie
in Erinnerung, und 14 Takte vor V nimmt
das Fagott die bisherige Begleitfigur solistisch
auf und formuliert sie zum Tanzcharakter
um. Doch dies sind nur Episoden,
der Jagd-Gestus setzt sich wieder
durch, legt vorübergehend vornehme
akademische Blässe auf mit kunstvoll
gedrechselten Fugati, um dann ins
Schlußgeschmetter zu treiben; hier meldet
sich dann auch wieder das pathetische
Anfangsthema aus dem ersten Satz
zu Wort: das macht dann, zusammen mit
dem Signalthema dieses Satzes, ein
wahrhaft prunk- und schwungvolles Finish.
Für die Sinfonie op. 46 gilt, was zur "Kleinen
Sinfonie" op. 44 gesagt wurde: sie
artikuliert sich in Bildern, in szenischen
Arrangements. Indem sie mit überlieferten
Versatzstücken aus dem Repertoire
einer romantischen Tonmalerei arbeitet,
tönt sie nach Programmmusik, deren Programm
assoziativ im Kopf des Hörers
sich von selbst ausbildet, nicht zuletzt unter
dem Einfluss eines heute vorangeschrittenen
Lernprozesses mit Kinobildern
und Kinomusik. Die Stärke der Pfitzner'schen
Musik in diesen beiden Sinfonien
ist ihre gestische Überdeutlichkeit;
sie ist aber im gleichen Atemzug ihre
Schwäche: was assoziativ ein Vorzug ist,
erweist sich ästhetisch als Mangel. Die
Prägnanz der musikalisch gezeichneten
Stimmungsbilder machte in der Bühnenmusik
zu Ibsens Schauspiel ausgangs
des 19. Jahrhunderts noch einen Sinn,
denn dort war nicht mehr und nicht weniger
zu erfinden als taugliche Funktionsmusik.
Man darf getrost darüber erstaunt
sein, dass der Studiosus Hans Pfitzner in
jungen Jahren handwerklich dieser Aufgabe
bereits gewachsen war. Fünfzig
Jahre später hingegen scheint er in den
Opeta 44 und 46 nicht vom Fleck gekommen
zu sein; mehr noch: er ist von einer
Entwicklung überrollt worden, welche
den musikalischen Fortschritt in den Bereich
der Kammermusik verwiesen hat
und den ästhetischen Rückschritt in den
Bereich der Kinematographie. Genau
dort finden wir das rezeptionsgeschichtlich
abgesunkene Vokabular wieder, mit
welchem Pfitzner aus Gründen, die dunkel
bleiben, in diesen beiden Sinfonien
arbeitet. Und es entbehrt nicht einer gewissen
Ironie, dass selbst auf dem Feld
der funktionalen Filmmusik Komponisten
zu finden sind - zu denken wäre etwa an
Bernard Herrmann - welche einen Hans
Pfitzner hinsichtlich kompositorischer Risikofreude, fortschrittlichem Material und
klangfarblicher Raffinesse in den Schatten stellen. Es erhebt sich also die Frage,
warum gerade hier Hans Pfitzner einen
betont traditionellen Weg geht, an keiner
Stelle auch nur eine Handbreit von der
Traditionsspur abweicht und geradezu
ängstlich in diesen beiden Sinfonien darauf
bedacht zu sein scheint, ein formales
wie materiales und ein strukturelles wie
klangfarbliches Risiko zu vermeiden. Einen
zaghaften Hinweis gibt die Widmung
"An die Freunde". Von reiz- und streitbarer
Natur, legte er sich mit Gott und der
Welt an, vor allem mit der Welt der musikalischen
Avantgarde. So heftig er im
Tonfall seiner Attacken war, so heftig war
er auch in seinen Sympathiebekundungen.
Tolerante Gelassenheit war seine
Sache nicht; er unterschied seine Zeitgenossen
in Freund und Feind. Dieser
leicht neurotische Hang zur übertreibenden
Parteilichkeit kommt nicht zuletzt in
seinem merkwürdigen Faible für ein
ebenso merkwürdiges "Deutschtum"
zum Ausdruck; auch wohl in der Bereitschaft, 1936 das Amt eines Reichskultursenators
zu übernehmen. So fängt denn
die Widmung "An die Freunde" in den
Anfangsjahren eines Zweiten Weltkriegs
an, eigentümlich zu schillern. Ein Hans
Pfitzner schreibt in diesen Jahren für die,
die ihm wohlgesonnen sind; er schreibt
auch für jene, denen er selbst wohlgesonnen
sein möchte. Das grenzt ihn einerseits
aus dem Kreis wagemutiger
kompositorischer Pfadfinder aus. das
grenzt ihn andererseits im Kreis reaktionär
Gesinnter ein. Die beiden Sinfonien
erklären sich damit als klingende Dokumente:
nicht im Sinne eines "nationalsozialistischen
Realismus", wohl aber im
Sinne eines trotzigen Dogmatismus, der
sich auf ein sog. "Erbe" verpflichten
möchte. Rechnet man die Tatsache hinzu.
dass beide Sinfonien vom Kanonendonner
des Weltkrieges begleitet werden
(den Pfitzner doch wohl auch gehört hat,
oder?). so erhärtet sich ein Verdacht: sie
scheinen klingende Gegenfiguren zu
sein in einer durch und durch ideologischen
Weise. Gegenfiguren der gewollten
Idylle, der geplanten Innerlichkeit,
des gezielten Pathos. Sie ähneln darin
jenen Filmen aus jener Zeit, in der nichts
"einen Seemann erschüttern" konnte; je
grauenvoller der weltpolitische Alltag
wurde, desto stärker blendete sich die
Welt des Kinos gegen dieses Grauen ab.
Pfitzners Sinfonien op. 44 und 46 vollziehen
genau diese Abblendung auf ihre
Weise mit, wobei man im Nachhinein
nicht entscheiden kann, ob das Motiv für
solche sinfonischen Illusionen staatsparteilicher
Opportunismus war oder nur die
Flucht eines von der Weltpolitik verstörten
Hans Pfitzner in den selbstgeschaffenen Traum von einer Welt, welche nach
ländlicher Geruhsamkeit und Olympischen
Spielen tönt. Dies zu entscheiden,
steht einer Nachwelt schlecht zu Gesicht.
Wohl aber ist es ein Gebot der Redlichkeit,
von der absoluten Gleichgültigkeit
einer Musik zu sprechen, deren Beschwörung
des Vorgestern eine Verschwörung
gegen das Heute ihrer Entstehungszeit
zu sein scheint. Von einer
Musik,-die sich gewissermaßen rücksichtslos
abkapselte, sei's aus naiver Beschwichtigung,
sei's aus naiver Erfolgshoffnung;
die sich abkapselte wie die
harmlose Wunderwelt des Kinos aus den
beginnenden Vierziger Jahren. Es
scheint also mehr als zufällig zu sein, dass
Hans Pfitzner mit dem Ton seiner Sinfonien
op. 44 und 46 genau auf diese cineastische
Beschwichtigungsformel einschwenkt
und nochmals, 50 Jahre nach
dem "Fest auf Solhaug", eine Musik für
die "Bühne" schreibt: die Bühne, auf der
man immer wieder die Vision "Durch
Nacht zum Licht" inszeniert. lllustrationsmusik.
lllustrationsmusik obendrein.
Auch das ein Kapitel in der Geschichte
des Hans Pfitzner; ein Kapitel der entweder
dreist unterschlagenen oder aber der
änqstlich unterdrückten Wahrheit - doch
wer will das entscheiden?
Rezensionen
Frankfurter Rundschau v.27.4.91: "Die ausgedehnte Schauspielmusik "Fest auf Solhaug" steht für die feurige Genialität und die frappierende frühe Meisterschaft des noch ganz jungen Pfitzner ein." Fanfare (USA) 8/91: "Die Symphonie op.44 ist eine von Pfitzners schönsten Schöpfungen."-
Tracklisting
-
Details
-
Mitwirkende
Disk 1 von 1 (CD)
Kleine Sinfonie op. 44
-
1 1. Gemächlich
-
2 2. Allegro
-
3 3. Adagio
-
4 4. Heiter bewegt (Allegretto)
Sinfonie op. 46
-
5 1. Allegro moderato
-
6 2. Sehr langsam (Adagio)
-
7 3. Presto
Das Fest auf Solhaug
-
8 1. Vorspiel 1
-
9 2. Vorspiel 2
-
10 3. Vorspiel 3