Joachim Raff: Sonaten für Klavier 4-händig e-moll op. 73b & A-Dur op. 90b auf CD

Im 19. Jahrhundert war es üblich, große Orchester- und Kammermusikwerke in vierhändigen Klavierauszügen herauszugeben, da der Besuch von Konzerten und Liederabenden noch eine Neuheit war und viele bürgerliche Haushalte ein Klavier besaßen. Diese Ausgaben machten solche großen Werke einem viel breiteren klavierspielenden Publikum zugänglich. Seltener bereitete Raff seine eigenen vierhändigen Klavierarrangements vor, da diese zeitraubende Aufgabe von Komponisten und Verlegern oft an separate Arrangeure vergeben wurde. Raff war aber auch selbst ein geschickter Arrangeur. Neben den oben erwähnten Originalwerken schrieb er acht weitere Werke für Klavier zu vier Händen, bei denen es sich entweder um frühe Stücke auf der Grundlage von Melodien anderer Komponisten oder um einfachere Bearbeitungen und Transkriptionen von Werken anderer Komponisten handelte, die im Auftrag von Verlegern entstanden.

Die Sonate für Klavier zu vier Händen in e-moll op. 73b wurde von der Violinsonate Nr. 1 arrangiert, wahrscheinlich Anfang 1854, kurz nachdem Raff die Arbeit an der Sonate selbst beendet hatte, wurde aber erst 1867 von Schuberth veröffentlicht, acht Jahre nach dem ursprünglichen Werk, das die erfolgreichste seiner fünf Violinsonaten geworden war.

Das zweite Werk der Reihe, die vierhändige Klaviersonate in A-Dur op. 90b, ist eine Bearbeitung des Streichquartetts Nr. 2 und entstand wahrscheinlich unmittelbar nach der Fertigstellung des Quartetts im Mai 1857. Das Quartett wurde 1862 veröffentlicht, aber die Sonate blieb zu Raffs Lebzeiten im Manuskript. Zu einer Veröffentlichung kam es jedoch nie, möglicherweise weil sein Tod im Juni des folgenden Jahres dazwischenkam, und so erschien erst im Jahr des zweihundertsten Geburtstags des Komponisten 2022 eine Erstausgabe in der Edition Nordstern.