Mauricio Kagel: Schwarzes Madrigal auf CD
Schwarzes Madrigal
Herkömmliche CD, die mit allen CD-Playern und Computerlaufwerken, aber auch mit den meisten SACD- oder Multiplayern abspielbar ist.
(soweit verfügbar beim Lieferanten)
+Trio in drei Sätzen
- Künstler:
- Rundfunkchor Berlin, Schönberg Ensemble
- Label:
- Winter & Winter
- Aufnahmejahr ca.:
- 1984
- Artikelnummer:
- 6443094
- UPC/EAN:
- 0025091009022
- Erscheinungstermin:
- 28.10.2002
TRIO in drei Sätzen für Violine, Violoncello und Klavier (1984 / 85)
Mit der Komposition eines Klaviertrios habe ich mir einen lang gehegten Wunsch erfüllt. Es ist dies ein Genre, vergleichbar mit der Tradition des Streichquartettes, vor dem jeder Komponist leise Ehrfurcht haben dürfte. Auch ich wartete geduldig, aber beunruhigt, um meinen Obulus zu entrichten.
Die Vorgeschichte des Stückes ist mit meinem Musikepos über den Teufel »La Trahision Orale« (Der mündliche Verrat) aufs Engste verknüpft, das ich 1981-83 schrieb. Bereits bei der Konzeption dieses Werkes enschied ich mich, Charakterstücke zu komponieren, realtiv kurze Nummern mit ausgeprägter Atmosphäre, die im Gestus mit Liedern ohne Worte verglichen werden könnten. Es mag seltsam anmuten, dass man heute wieder Musik mit solch literarischem Hintergrund komponieren kann, aber die Entwicklung der Musikgeschichte zeigt, dass nichts gradlinig, sondern durch den ästhetischen Anspruch aufgerüttelt, verschlungen verläuft.
Für »Trahison Orale« habe ich keine bestimmte Besetzung vorgeschrieben, sondern eine Art Klavierauszug hergestellt, weil mir dies die geeignetste Form schien, um mein Vorhaben zu verwirklichen. Eine der wesentlichen Lehren, die wir aus der Romantik ziehen können, ist das Primat der musikalischen Substanz über eine spezifische Klangfarbe: Wenn die Vorstellungskraft einprägsam genug ist, dann kann sie mit austauschbaren Klangmitteln einen ihr gerechten Ausdruck finden. Von Anfang an schwebte mir eine Paraphrase meines Musikepos mit der klassischen Besetzung Geige, Violoncello und Klavier vor. Ich habe dies nun in Form eines dreisätzigen Werkes ausgearbeitet und dessen Ablauf mit dem Hauch eines Rondo umgeben. Man könnte dieses Klaviertrio mit einem polyphonen Gefüge von Charakterstücken vergleichen, in dem ausgeprägte Merkmale immer wieder vorkommen, sich verfolgen, abrupt aufhören, aus dem Hintergrund schnell zur Oberfläche steigen und langsam verschwinden. Es ist dennoch absolute Musik im klassischen Sinne - die wahren Gründe des Absoluten verbergend.
Schwarzes Madrigal für Chorstimmen und Instrumente (1998 / 99)
Mit Ausnahme von einigen deutschen Vokabeln (wo?, in, ja, nein, und, nach, wohin?) besteht die Textvorlage dieser Komposition aus Namen afrikanischer Städte, Dörfer und Ansiedlungen. Daher steht der Titel Schwarzes Madrigal in direktem Zusammenhang mit meinem Vorhaben, mich nur auf Wörter dieser geographischen Herkunft zu beschränken.
Meine Stellungnahme, die die Korrektheit der Interpretation betrifft, habe ich bereits in den ersten Takten des Stückes zu verdeutlichen versucht. Dort kommt Timbuktu gleich mehrmals vor, und zwar jedesmal anders betont. Damit wollte ich von Anbeginn klarlegen, dass es mir nicht um die wissenschaftlich überprüfbare Vermittlung von afrikanischen Dialekten, seltenen Stammes- oder Bantu-Sprachen ging, sondern im Gegenteil um das klingende Zeugnis der Unmöglichkeit, alle Worte tadellos zu betonen oder sie phonetisch einwandfrei zu gestalten. Selbst wenn man diese Namen nur unvollkommen wiedergibt, wird ihre Schönheit dadurch nicht vermindert, eher noch gesteigert.
Diese Komposition ist dem kubanischen Poeten Nicolás Guillén (1902 - 1989) in memoriam gewidmet, den ich zum ersten Mal 1947 in Buenos Aires gehört habe. Die Lesung machte damals auf mich einen großen Eindruck, weil die Verse mit jener Leidenschaft und Intensität des Ausdrucks vorgetragen wurden, die man nur von kongenialen Wiedergaben kennt.
Meine Fokussierung auf Namen des afrikanischen Kontinents reflektiert heute - ein halbes Jahrhundert später - den Ruf nach Kenntnisnahme fremder Sprachklänge ohne Furcht vor Schnitzern oder ungeschickten Betonungen.
In keinem Augenblick habe ich programmatisch versucht, rhythmische oder melodische Muster afrikanischer Musik nachzuahmen. Aber es ist trotzdem ein Werk entstanden, in dem solche Anklänge äußerst leise, wie gedämpfte Schallwellen durch Wände, hörbar werden.
Text von Mauricio Kagel
Rezensionen
O. Ford in Stereo 2/03: »Mit großem kammermusikalischen Gespür gibt das Schönberg Ensemble das komplizierte polyphone Gefüge wieder.«Disk 1 von 1 (CD)
Trio in drei Sätzen (für Violine, Vioncello und Klavier)
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1 1. Satz
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2 2. Satz
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3 3. Satz
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4 Schwarzes Madrigal (für Chorstimmen und Instrumente)
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