Hans Sahl: Die Gedichte
Die Gedichte
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- Luchterhand Literaturvlg., 06/2009
- Einband: Gebunden, ,
- Sprache: Deutsch
- ISBN-13: 9783630872889
- Bestellnummer: 2120503
- Umfang: 336 Seiten
- Copyright-Jahr: 2009
- Gewicht: 419 g
- Maße: 193 x 127 mm
- Stärke: 35 mm
- Erscheinungstermin: 15.6.2009
Klappentext
Hans Sahl hat Zeit seines Lebens Gedichte geschrieben. Sie haben seinen Ruf begründet, einer der bedeutenden Schriftsteller des 20. Jahrhunderts zu sein. Diese Gedichte werden hier zum ersten Mal vollständig publiziert. Damit liegt das poetische Überlebensgepäck und Vermächtnis dieses großen Schriftstellers zum ersten Mal in seinem ganzen Umfang vor.1923, im Alter von 21 Jahren, veröffentlichte Hans Sahl sein erstes Gedicht in der damals hoch angesehenen »Weltbühne«. 1941, in ungleich finstereren Zeiten, erschien in einem New Yorker Verlag ein Gedichtband von ihm: »Die hellen Nächte« - wiederum eine kleine Sensation! Ein Emigrant konnte in der Fremde einen Band mit Poesie veröffentlichen, und das sogar auf Deutsch! - Das Schreiben von Gedichten begleitete Hans Sahl durch sein langes Leben. Die Schrecken des 20. Jahrhunderts finden in diesen Versen ihren Widerhall, aber Hans Sahl hat das Schreiben von Gedichten auch als Anker in einem unsteten Leben verstanden, und zu Recht begründen sie seinen literarischen Ruf.
Zu Hans Sahls Lebzeiten sind zuletzt zwei von ihm selber zusammengestellte Bände mit Gedichten erschienen: »Wir sind die Letzten« und »Der Maulwurf«. Neben diesen Gedichten wird seine verstreut veröffentlichte Lyrik in diesem Band erstmals neu publiziert sowie bisher noch unveröffentlichte Gedichte aus seinem Nachlass. Weit über 80 Jahre nach dem Debüt dieses Autors wird damit endlich eines der bedeutendsten lyrischen Werke des 20. Jahrhunderts als Ganzes zugänglich gemacht.
Auszüge aus dem Buch
Wir sind die Letzten1933-1975
Die wir ferner als die ungez ten Sterne
unsere Kreise zogen auf entlegenen Planetenbahnen -
O da nicht ungeh rt
uns das Wort, das wir liebten, entgleite.
Vielleicht zeugt irgendwo
auf unzug lichem Gel e
noch ein Fu bdruck, eine Narbe im Gras
von den Spuren derer, die hier gingen
und eure Lieder sangen.
Die Letzten
Wir sind die Letzten.
Fragt uns aus.
Wir sind zust ig.
Wir tragen den Zettelkasten
mit den Steckbriefen unserer Freunde
wie einen Bauchladen vor uns her.
Forschungsinstitute bewerben sich
um W herechnungen Verschollener,
Museen bewahren die Stichworte unserer Agonie
wie Reliquien unter Glas auf.
Wir, die wir unsre Zeit vertr delten,
aus begreiflichen Gr nden,
sind zu Tr dlern des Unbegreiflichen geworden. Unser Schicksal steht unter Denkmalschutz. Unser bester Kunde ist das schlechte Gewissen der Nachwelt. Greift zu, bedient euch. Wir sind die Letzten. Fragt uns aus. Wir sind zust ig.
1973
Memo
Ein Mann, den manche f r weise hielten, erkl e, nach Auschwitz w kein Gedicht mehr m glich. Der weise Mann scheint keine hohe Meinung von Gedichten gehabt zu haben - als w n es Seelentr ster f r empfindsame Buchhalter oder bemalte Butzenscheiben, durch die man die Welt sieht. Wir glauben, da Gedichte berhaupt erst jetzt wieder m glich geworden sind, insofern n ich als nur im Gedicht sich sagen l , was sonst
jeder Beschreibung spottet.
Erinnerung an Berlin
Da war es Sommer, und die Stadt war mein
und bot sich an mit heftiger Geb e.
Wild flatterte mein Haar von Autobusverdecken,
auf denen rauchend man die Zweige streifte,
mit t richten Gedanken spielend. Weltverbesserungspl n -
vom Zoo her wehte Raubtierluft. Die ersten
Wadenstr mpfe. Das erste Barthaar, und in
Hauseing en die ersten Pollutionen. G terz ge
wie nasse Elephantenr cken. Im Romanischen
die ersten Dichter. Worte schmeckend wie
W rfelzucker. Die ersten Toten und an
Litfa S en die ersten Ahnungen vom
Untergang: Raubtierm en, die brennend
zwischen H ern niedergingen, gefl gelte
Hy n, Krokodile mit Hoheitszeichen,
Stacheldrahtchim n -
Da war kein Sommer mehr, nur Knochenreste von Jahreszeiten, nur ein Abschiednehmen von ausgeleerten Gl rn, Zuschlagen von T ren und eine Blume aus Eis, geschenkt von einem blinden D-Zug-Fenster.
1965
Ballade
So kamen wir von den P en herunter in unsern erdfarbenen M eln. Hier und dort fehlte ein Mann, aber es k mmerte uns nicht, und wir a n von den Rationen und h rten nicht auf das Weinen der Frauen. Die Sonne stand schon ziemlich niedrig. Manchmal fing einer an, von besseren Tagen zu sprechen, dann schlugen wir ihn auf den Kopf, bis er stille wurde. Das Essen mundete uns noch immer, aber es hatte einen Beigeschmack von Armut und Gew hnung, und nichts wunderte uns mehr, nicht einmal unser eigner Zustand, der in der Tat ungew hnlich war. Als sie endlich zum Sammeln bliesen, standen nur wenige auf, um dem Ruf zu folgen, die meisten blieben im Grase liegen und taten, als ob sie tot w n. Oder waren sie es schon?
1948
An eine Schulklasse
Den Sch lern von Butzbach gewidmet
Ihr, die Ihr geboren seid, um zu vergessen,
was wi Ihr von den Tollheiten der Menschen? Die Wiese, auf die Ihr Euch legt, verr Euch nicht, wieviele von uns dort umkamen,
die Hand, die Ihr sch ttelt, da es eine M rderhand sein k nnte, die Euren Gru nicht verdient.
Unser Dasein ist f r Euch bereits Legende geworden,
unser Leid ein Ger cht von gestern.
Aber in den Liedern der Vertriebenen
und im Rascheln des Windes,
der ein verbranntes Buch aufbl ert,
erz en wir Euch, was geschah,
als der Hahn zum drittenmal kr e.
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Biografie
Hans Sahl wurde 1902 als Sohn eines jüdischen Industriellen in Dresden geboren, war Film-, Theater- und Literaturkritiker in den 20er Jahren, schrieb Gedichte, Erzählungen und Theaterstücke. 1933 musste er fliehen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er Kulturkorrespondent erst der Zürcher Zeitung , dann der Süddeutschen Zeitung in New York. Er übersetzte Thornton Wilder, Tennessee Williams und Arthur Miller. Seit 1989 lebte der Autor in Tübingen, dort starb er 1993.Anmerkungen:
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Hans Sahl
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